Ich habe letzte Woche eine Einladung bekommen eine Petition zu unterschreiben, die die Einführung des neuen Plastikballs im Tischtennis verhindern möchte. Da werden wüste Behauptungen zum Plastikball aufgestellt und diese durch fadenscheinige Argumentationen untermauert. Lesen kann man das ganze hier: http://hragge.wordpress.com/
Mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass der Autor Hubert Ragge offensichtlich noch keinen Plastikball gespielt hat, wird einfach mal gerne die Argumentation der Gegenseite als Lüge bezichtigt. "Die lügen!" - "Ach so, na dann musst Du ja recht haben!".
Ich möchte einige der wichtigsten Argumente mal etwas näher beleuchten.
Die Webseite mytischtennis.de, das größte Portal zum Sport in Deutschland hat vor einigen Monaten die Eigenschaften des neuen Balls untersucht und veröffentlicht. Darauf geht der Autor ein (leider auf keine einzige andere Quelle).
Der Ball wird größer
Laut mytischtennis.de wird der Plastikball etwa 2mm größer. Hubert Ragge bezeichnet das als Lüge. Als Beweis führt er eine Vermessung von 200 Drei-Sterne-Bällen an (ohne Quelle), bei der sich heraus gestellt hat, dass die Bälle im Schnitt 39,6mm groß sind. Ich konnte trotz intensiver Suche eine solche Studie nicht finden. Wer der Tester sein soll und wie die Testbedingungen oder die Testmuster aussehen, lässt sich also nicht sagen. Der jetzige TT Ball hat eine Zielgröße von 40mm mit einer Toleranz von 1mm, also ± 5mm
Ich will nicht soweit gehen, dass ich behaupte, die Studie sei erfunden, aber unwahrscheinlich erscheint sie mir schon. Ein Hersteller, der so weit an der unteren Grenze ist, produziert viel mehr Ausschuss als einer, der den Mittelwert anstrebt. Da die drei Sterne Bälle ja wesentlich teurer sind, kann es kaum im vielbescholtenen wirtschaftlichen Interesse liegen, möglichst viel Ausschuss zu produzieren.
Aber selbst wenn die Hersteller so produzieren, müsste man doch annehmen können, dass sie auch beim Plastikball an der untersten Grenze bleiben. Dann würde der Plastik-drei-Sterne-Ball also 40,1mm haben.
Was völlig außen vor gelassen wird ist aber die Tatsache, dass das Herstelungsverfahren für die Plastikbälle wesentlich genauer zu sein scheint, denn die Toleranz wird von 1mm auf 0,6mm gesenkt. Der größte zulässige Zelluloidball ist also 0,1mm kleiner als der größte zulässige Plastikball. Wenn man die Durchschnittswerte nimmt, dann wird der Ball um 0,3 mm größer (also 0,1mm mehr als mytischtennis.de angegeben hat).
Jeder einigermaßen gute Spieler sollte schon gemerkt haben, dass sich Trainingsbälle von Spielbällen sehr unterscheiden. Das Absprungverhalten ist bei einem Trainingsball ganz anders als bei einem frischen Spielball. Wer es sogar etwas genauer beurteilen kann, wird feststellen, dass sogar die unterschiedlichen Hersteller sich voneinander deutlich unterscheiden. Nicht umsonst wird in den Leistungszentren nur mit *** Bällen trainiert. Über die neuen Bälle regen sich vor allem Hobbyspieler auf, die mit Trainingsbällen arbeiten. Spieler also, denen die Spieleigenschaften nicht so wichtig sind, wie der Preis der Bälle, denn sonst würden sie nur *** Bälle kaufen und sich nicht über den vermutlich höheren Preis der neuen Bälle aufregen. Aber gerade hier wird voraussichtlich durch verbesserte Produktion eine geringere Abweichung zwischen Trainingsbällen und Spielbällen erreicht werden. Etwas, das gerade diesen Spielern zu Gute kommt.
Ein größerer Ball führt zu unterschiedlichen Flugeigenschaften. Als der Ball 2mm vergrößert wurde, sollte er langsamer und weniger Spinorientiert werden. Das Gegenteil ist eingetreten. Der Ball blieb gleich Schnell, da die Materialhersteller Schläger und Beläge angepasst haben. Noch dazu wirk sich eine Rotation stärker aus, je größer das Objekt ist. Ich habe vor 20 Jahren 38mm Bälle gespielt und Topspin war damals einfach nicht so wichtig wie ein guter Schmetterball (heute heißt er Schuss - weiß der Kuckuck warum). Der neue Ball nimmt weniger Rotation an, die Rotation wirkt sich aber voraussichtlich deutlicher aus.
Zu guter Letzt bleibt aber auch festzuhalten, dass nach der letzten Balländerung die Hersteller den Spielern das gegeben haben, was sie wollten. Die Beläge und Hölzer haben dafür gesorgt, dass das Spiel schnell und Spinorientiert blieb.
Man sollte auch bedenken, dass die neuen 40mm Bälle am Anfang auch noch etwas unrund waren und sich erst mit gestiegener Produktion verbesserten. Das wird mit dem Plastikball ähnlich sein. Dieser wird noch immer aktiv entwickelt und erst mit einer großen Produktion wird er seine endgültige Spieleigenschaft erhalten. Der erste Plastikball den alle spielen werden, wird sich von einem Ball in drei Jahren sicherlich noch einmal unterscheiden.
Die Spieleigenschaften sind anders
Als Beweis führt Hubert Ragge, wie viele andere auch, das Video von Australiens Nationalspieler William Henzell an. Das Video ist 2 Jahre alt! Mehr muss man dazu eigentlich gar nicht sagen. Der Ball wurde seitdem kontinuierlich weiter entwickelt und entspricht dem in dem Video gesehenen Ball einfach nicht mehr. Ich möchte zu den Spieleigenschaften einmal zwei Dinge zu bedenken geben. 1. Der größte Markt für Tischtennis ist China. Niemand bringt so viel Spin ins Spiel wie die Chinesen. Für die Chinesen ist ein Spinarmes Spiel ein Spiel, das sie nicht kontrollieren können. China hat auch in der ITTF ein entsprechendes Gewicht, so dass man davon ausgehen darf, dass sie sich gegen einen Ball der kaum Spin annimmt wehren würden.
2. Bei einem Spiel des TTC Ober Erlenbach hatte ich Gelegenheit einen Plastikball zu testen. Für mein persönliches, amateurhaftes empfinden ist der Ball in etwas so anders wie sich ein guter *** Ball von einem alten Trainingsball unterscheidet (abgesehen vom Klang). Im Gespräch mit Thomas Keinath (ehem. 51. der Weltrangliste) ist die Änderung zwischen den Bällen nicht so dramatisch. Er meinte aber auch, dass der Spin beim Rückschlag noch wichtiger wird. Der Ball nimmt ihn vielleicht weniger gut an, gibt ihn dann aber stärker an den Rückschläger wieder. Er meinte, dass der Ball dadurch häufiger mal im Netz oder jenseits der Platte landen kann.
Wer ein aussagekräftigeres Video zum neuen Ball sehen möchte wird hier fündig: http://www.youtube.com/watch?v=7JBr08kSAiI
Interessanter Weise empfinden hier die Spieler die Unterschiede zwischen dem neuen Ball und dem 40mm nicht als so gravierend, eigentlich möchten sie alle lieber 38mm zurück. Der Test hat sogar gezeigt, dass der Plastikball schneller abspringt als die Zelluloidbälle obwohl er sich langsamer anfühlt.
Letztlich muss jeder selbst wissen wie er die Spieleigenschaften einschätzt. Ich möchte hier allerdings einmal einen Blick auf den Fußball werfen, dessen Spielgerät sich seit vielen Jahren ständig entwickelt und vor allem leichter geworden ist. Das führt immer wieder zu kontroversen weil der Ball flattere es dadurch mehr oder weniger Tore gäbe etc. letztlich wird aber auch dieser Sport durch die Veränderung des Spielgerätes nicht in seiner Wesenheit verändert.
Der Herstellungsprozess ist ein Problem
Hier führt Herr Ragge ein Video an, in dem die Herstellung von TT Bällen gezeugt wird. Das ist völlig korrekt. Auch die Gesundheit der Arbeiter ist kein Problem.
Was von der ITTF angeführt wird, ist die Brandgefahr bei Zelluloid und dass der Herstellungsprozess in einigen Ländern zukünftig verboten wird. Ich möchte an dieser Stelle nicht auf das Argument von Herrn Ragge eingehen es habe sich noch kein Ball bei ihm spontan selbst entzündet. Tischtennisbälle sind ein Gefahrgut und dürfen nicht per Paket verschickt werden. In Honkong sind bei 34 Grad 500.000 TT Bälle, die in einem Metallcontainer gelagert wurden explodiert (Zeitschrift DTS, 2001/9 S.6). Wer wissen möchte wie so ein Ball brennt, dem empfehle ich dieses Video: http://www.youtube.com/watch?v=99N9SU8ItXk
Der TT Ball ist so ziemlich das letzte Produkt, das aus Zelluloid gefertigt wird. Zum besseren Verständnis empfehle ich auch den Wikipedia Artikel dazu.
Industrie und Garantie
Zu guter letzt führt Hubert Ragge an, dass der ganze Umstellungsprozess von den Herstellern gesteuert wird, weil diese neue Beläge verkaufen wollen. Er benennt auch bereits den Preis der neuen Bälle als höher obwohl diese noch gar nicht erhältlich sind.
Die Industrie kann nur das verkaufen, was der Konsument auch kauft. früher haben die Leute ihr Geld in Kleber und Beläge gesteckt, die sie ständig neu aufgezogen haben. Heute kauft man Beläge mit integriertem Frischklebeeffekt und spielt diese eine ganze Weile. Ich bin nicht sicher in wie weit sich da das Ausgabeverhalten geändert hat. Meine Beläge sind nach einem halben Jahr durch und ich spiele sie wirklich häufig (2-3 mal die Woche). Wenn man sie gut pflegt, halten sie auch. Ich habe auf der Rückhand einen stinknormalen Belag ohne Frischklebe Effekt. Und meiner Erfahrung nach spielen sowieso 70% der Amateurspieler Schläger und Beläge, die für sie eigentlich ungeeignet sind, weil sie glaube technische Mängel dadurch kompensieren zu können. Im Material ist viel Vorstellungskraft drin. Einige Gegner die ich regelmäßig treffe werden sich für diese ganze Diskussion nicht interessieren. Die spielen weiter mit Noppen außen, ohne Schwamm. Das machen sie unverändert seit 30 Jahren ohne ein Mal den Belag gewechselt zu haben. Wer glaubt, dass er einen anderen Belag braucht, weil der Ball sich etwas verändert, der braucht ohnehin ständig neue Beläge, weil sich sein Spiel ständig verändert.
Schlussendlich erhalten wir von Herrn Ragge noch eine Garantie, dass der neue Plastikball nicht kommt wenn 20.000 Spieler seine Petition unterschreiben. Fast - aber nur fast möchte ich ihm eine Garantie geben, dass er sogar mit 50.000 Unterstützern kommen wird. Viel zu weit ist der Prozess bereits fortgeschritten. Es wurden Unsummen in die Entwicklung des neuen Balls gesteckt und die Einführung bereits vor drei Jahren beschlossen. Jetzt noch kurz vor Einführung mit einer schlecht ausgeführten Petition das ganze aufhalten zu wollen erscheint mir besten Falls als Beschäftigungstherapie.
Fazit
Ich bin nun selbst eigentlich kein großer Freund eines neuen Balls. Ich habe lange gebraucht um mein Spielsystem umzustellen. Ich habe das letzte Mal gespielt als der Ball noch 38mm hatte und habe dann mal 20 Jahre Pause gemacht. Über ein Jahr arbeite ich nun daran einige Grundlegende Dinge an mir zu ändern um mich dem veränderten Spiel anzupassen.
Das einzige, was ich positiv finde, ist dass die Spielbälle und die Trainingsbälle sich vermutlich nicht mehr so stark voneinander unterscheiden werden.
Was ich grundsätzlich aber nicht mag, ist es wenn jemand Behauptungen in den Raum wirft ohne sich mit der Materie ausreichend auseinander gesetzt zu haben.
Insgesamt finde ich eine Diskussion gegen den Plastikball blödsinnig, die Unterschiede zum Zelluloidball sind im Vergleich zur Änderung von 38 auf 40mm verschwindend gering. Wenn es eine Diskussion geben sollte, dann eigentlich nur, ob der Plastikball besser wieder auf 38 mm verkleinert werden sollte. Die allgemeine Meinung ist immer noch, dass das die beste Größe war.
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